Montgeron 1969 / 70: Die ersten ATM der Welt !

In dem kleinen französischen Ort Montgeron, im Departement Essonne südlich von Paris, wurde im März 1969 in einem SUMA-Supermarkt ein automatisches Selbstbedienungs-Postamt eingerichtet.
In einer etwa 4x2 Meter großen Automatenwand standen dem Publikum u.a. ein Münzfernsprecher, ein Geldwechselautomat, ein Automat für Rollenmarken und Markenheftchen sowie ein Automat zur Annahme von Einschreibebriefen zur Verfügung.

Völlig neuartig war ein Wertzeichendrucker mit dem Automatenmarken in vom Kunden frei wählbaren Wertstufen ausgedruckt werden konnten. Über eine Hebelmechanik konnten alle Werte zwischen 0,10 und 99,90 Fr. eingestellt werden.

Die erste ATM der Welt, Montgeron Type 1 I.

  Das BAA mit dem Wertzeichendrucker

Diese in roter Farbe auf weißes gummiertes Papier gedruckten Automatenmarken konnten wie jede andere normale Briefmarke im Inlands- und Auslands-Postverkehr verwendet werden, sie sind landesweit und zeitlich unbegrenzt gültig, auch heute noch. Um eine Wiederverwendung auszuschließen, mußten daher auf Briefen klebende ATM, wie herkömmliche Marken durch den Poststempel entwertet werden.

In der Praxis verlief der Versuch leider unbefriedigend. Wegen technischer Defekte und Wartungsarbeiten war die Anlage oft wochenlang außer Betrieb. Mangelnde Akzeptanz und weitere technische Probleme führten schließlich zur Stillegung im Herbst und dem Abbau der Automatenwand im November 1970.

Die Automatenmarken von Montgeron sind eindeutig als die ersten ATM der Welt einzustufen.

Eine Automaten-Briefmarke (ATM) muss 2 Hauptkriterien erfüllen:

  1. Herstellung in einem elektronischen Wertzeichendrucker (i.d.R. in frei wählbaren Wertstufen).
  2. Freie Verwendbarkeit und Handhabung wie bei normalen Briefmarken (Gegensatz: Freistempel)

An der Erfüllung des ersten Kriteriums hat es niemals Zweifel gegeben. Andererseits konnten sich jedoch viele Sammler und Experten bis vor einigen Jahren nicht darüber einig werden, inwieweit die Montgeron-Marken auch das 2. Kriterium erfüllen. Oft wurde behauptet, die Marken wären nur damals in Montgeron gültig und nicht frei verwendbar gewesen.

Tatsache ist jedoch, daß das von der französischen Post am 20. März 1969 zum Betriebsversuch von Montgeron herausgegebene Bulletin Nr. 37 die Montgeron-ATM bezüglich der Gültigkeit und Handhabung eindeutig allen anderen traditionellen Marken gleichstellt ohne Hinweis auf eine zeitliche oder örtliche Limitierung. Auf dieser Grundlage erfolgte auch die Katalogisierung der Montgeron-ATM in den führenden Briefmarken-Katalogen.

 

Die 4 verschiedenen Typen der Montgeron-ATM

Aus der Betriebszeit des BAA (Bureau Auxiliaire Automatique) von Montgeron gibt es 2 verschiedene ATM-Haupt-Ausgaben, von denen jeweils noch 2 verschiedene Untertypen unterschieden werden. Für jede der 4 Typen wurde nachweislich ein eigenes Klischee angefertigt. Der Michel Europa-Katalog nennt die 2 Haupttypen, der Michel ATM-Spezialkatalog unterscheidet hingegen alle 4 Typen.

1. Ausgabe, Montgeron im Kreis, Geräte-Nr. BAA-001:

1. Ausgabe, Type I, Mi.-Nr. 1.1

belegt vom 25.3.1969 - 21.4.1969
Geräte-Nr. BAA-001

Wertfeld und stempelähnlicher Aufdruck mit kreisförmiger Inschrift "MONTGERON ESSONNE"
BAA-OO1, Bindestrich in mittlerer Höhe
weißes, in der Mitte waagerecht geripptes Papier.

1. Ausgabe, Type II, Mi.-Nr. 1.2

belegt vom 21.4.1969 - 30.5.1969
Geräte-Nr. BAA-001

Wertfeld und stempelähnlicher Aufdruck mit kreisförmiger Inschrift "MONTGERON ESSONNE"
BAA_OO1, Bindestrich tiefstehend
weißes, in der Mitte waagerecht geripptes Papier.


2. Ausgabe, Text dreizeilig, Geräte-Nr. SA 00001:

2.Ausgabe, Type I, Mi.-Nr. 2.1

belegt vom 3.7.1969 - 3.8.1969 (danach Gerät außer Betrieb, Abstempelungen auch später)
Geräte-Nr. SA 00001

Wertfeld und dreizeilige Inschrift "91-MONTGERON / AUT. 1 / ESSONNE"
Punkt zwischen AUT und der 1 mittig

weißes, in der Mitte waagerecht geripptes Papier.

2.Ausgabe, Type II, Mi.-Nr. 2.2

belegt vom 16.4. 1970 - 22.7.1970
Geräte-Nr. SA 00001

Wertfeld und dreizeilige Inschrift "91-MONTGERON / AUT .1 / ESSONNE"
Punkt zwischen AUT und der 1 zur 1 hin verschoben
cremefarbenes
, in der Mitte waagerecht geripptes Pap.

Am 14.Dezember 1970 wurde die Automatenwand endgültig abgebaut, nachdem sie schon lange vorher außer Betrieb war.

Der 1. ATM-Beleg der Welt !

Bei dem unten dargestellten Brief handelt es sich nicht nur um einen von nur 2 bekannten Frühdaten-Belegen der ersten Montgeron-ATM-Type, darüber hinaus belegt er mit dem 25. 3. 1969 das weltweit erste Datum eines mit einer Automatenmarke freigemachten Poststücks überhaupt, zudem systemgerecht als Einzelfrankatur, was der eigentliche Sinn der ATM ist und auch der Sinn der 1. Montgeron-ATM mit ihren frei wählbaren Wertstufen zwischen 0,10 und 99,90 Fr. war.

Montgeron-ATM der 1.Ausgabe, Type I, Mi.-Nr. 1.1 (Bindestrich in mittlerer Höhe) in der Wertstufe zu 0,40 FF. als portogerechte Einzelfrankatur auf Inlands Fernbrief nach Nizza.

In verschiedenen Katalogen wird als Ersttag der Montgeron-ATM der 1.3.1969 angegeben. Dieses Datum ist jedoch in keiner Weise dokumentiert. Es ist äußerst fraglich, ob das Gerät wirklich am 1.3.1969 in Betrieb genommen wurde. Darauf deutet auch die Formulierung des Bulletins Nr. 37 vom 20.3.1969 hin, in dem es heißt: "Une machine à affranchir de guichet d’un type nouveau...doit être mis prochainement en service à Montgeron (Essonne). Cette machine delivera ..." . Die Verwendung des Futurs spricht dafür, daß das Gerät am 20.3.1969 noch nicht in Betrieb war.  Erst kürzlich (2003) wurde im französischen Postmuseum in Paris ein Artikel in der Ausgabe "Flohic edition" entdeckt, der als Aufbaudatum der Gerätewand den 24.3.1969 nennt.

Zusammengenommen  spricht nun sehr vieles dafür, daß es sich bei dem oben abgebildeten Beleg mit dem Datum des 25.3.1969 um den tatsächlichen Erstverwendungsbeleg (=FDC) der Montgeron-ATM handelt. Bisher wurde der  25.3.1969 nur als Frühdatum angesehen.

Dieser Brief markiert den absoluten Beginn der Einführung von Automatenmarken, wenngleich nach dem Scheitern des Betriebsversuches von Montgeron erst Jahre später erneut Automatenmarken zum Einsatz kamen. (1976 Schweiz, 1978 Norwegen, 1979 Brasilien, 1981 Frankreich, Deutschland, Belgien und Portugal). Weitere internationale Verbreitung und eine nennenswerte Bedeutung im Postverkehr erlangten die ATM dann ab den 80er Jahren. Heute gibt es ATM in über 50 Ländern, zum Teil mit hunderten und tausenden von Automaten.

 

Der Betriebsversuch von Montgeron im chronologischem Gesamtzusammenhang der ATM-Einführung in Frankreich:

Im historischen Gesamtzusammenhang steht der Betriebsversuch von Montgeron ziemlich isoliert am Anfang. Nach dem Scheitern des Betriebsversuches im Juli 1970 sollten mehr als 10 volle Jahre vergehen, bis es in Frankreich wieder Automatenmarken gab. In diesen Jahren war die französiche Post PTT jedoch keineswegs untätig, im posttechnischen Zentrum von Arcueil wurde ein neues Konzept ausgearbeitet. Dieses neue Konzept trug den Namen LSA = Libre Service d’Affranchissement und sah den Einsatz von Automaten vor, die mittels eines Portorechners und einer eingebauten Waage speziell zur Frankatur von Standardsendungen (Briefe und Pakete) innerhalb Frankreichs ausgelegt waren.

Nach diversen internen Tests mit verschiedenen Modellen von Wertzeichendruckern wurde 1981 ein erster Betriebsversuch mit insgesamt 9 LSA-Automaten von 3 verschiedenen, konkurrierenden Herstellern in Paris und Umgebung durchgeführt. Die Geräte der Hersteller CGA-Alcatel und EMD-Camp bewährten sich nicht und gingen bereits 1983 endgültig außer Betrieb, Crouzet machte das Rennen und entwickelte eine verbesserte Automatengeneration. Mit bis zu 12 dieser neuen LSA-Geräte wurde die 2. Betriebsphase bestritten, die bis 1992 andauerte. Parallel dazu lief ab 1985 der Betrieb von 3 modifizierten FRAMA-Automaten, nicht erfolgreich, 1989 eingestellt. Im Frühjahr 1990 wurden in Paris die ersten DIVA- und LISA-Automaten in Betrieb genommen, 1991 Beginn des Dauerbetriebes und flächendeckende Installation dieser Geräte mit Stückzahlen von jeweils über 1000 Einheiten in ganz Frankreich. LISA ist weiter auf dem Vormarsch, seit 1999 auch mit Euro-Wertangabe (die ersten Euro-Briefmarken der Welt !). Die einfachen DIVA-Geräte werden zunehmend durch die vielseitigeren LISA-Geräte ersetzt. In den letzten Jahren haben speziell die LISA ATM-Wertzeichendrucker immer breitere Akzeptanz gefunden und sind schon längst aus dem französischen Postalltag nicht mehr wegzudenken.

 

Anmerkungen zur Seltenheit der Montgeron-ATM

Die anspruchslose Ausführung der Automatenmarken von Montgeron, die sehr den Freistempelabdrucken ähnelte, hat damals nur sehr wenige Sammler dazu bewogen, sich ihrer anzunehmen. Und unter den wenigen Philatelisten, die sie überhaupt zur Kenntnis nahmen, herrschte lange Zeit Unklarheit darüber, in welche Kategorie (Freistempel oder Briefmarken) sie einzuordnen wären und ob sie letztlich überhaupt gesammelt werden sollten. Kaum einer konnte damals ahnen, welche enorme postgeschichtliche und philatelistische Bedeutung diese schmucklosen Ausdrucke später einmal erlangen sollten.

Insbesondere ungestempelte Marken sind äußerst selten. Dies gilt für die 1. Ausgabe und die 2.Ausgabe auf weißem Papier. Von der 1.Montgeron-ATM überhaupt, der Mi.-Nr. 1.1 sind mir derzeit 5 Exemplare bekannt, darunter ein einmaliger Portosatz 30 / 40 C. der im Michel mit 60.000,-  Euro notiert. Von der Mi.-Nr. 1.2 gibt es kaum mehr Material, vielleicht 10 bis 15 Exemplare. Die Mi.-Nr. 2.1 wird postfrisch inzwischen sogar noch höher eingeschätzt, bisher sind erst 5 Stück entdeckt worden, man vermutet jedoch noch einige weitere Marken in Frankreich. Lediglich die Mi.-Nr. 2.2 gibt es auch ungestempelt in etwas größerer Zahl, sicherlich etliche Dutzend, darunter mehrere Portosätze 30/40 C., insgesamt vielleicht über 100 Exemplare. Diese Ausgabe kann man zur Zeit gelegentlich noch für unter 500,- Euro bekommen.

Nun zu den Briefen. Gleich vorab: Bedarfsbriefe ohne philatelistische Beeinflussung sind unbekannt.
Die allgemeine Akzeptanz der Anlage war gering, soweit es Bedarfsbriefe gegeben hat, dürften sie damals sämtlichst von den Empfängern achtlos weggeworfen worden sein. Es ist also wenigen Philatelisten zu verdanken, daß die erste ATM-Ausgabe der Welt überhaupt dokumentiert wurde, ohne sie gäbe es keinerlei Belege und wohl auch keine postfrischen Marken. Diese Situation ist vergleichbar mit einigen Gebieten z.B. der Aero- und der Kolonialphilatelie. Es gibt übrigens keine lose gestempelten Marken auf dem Markt , man müßte dazu Briefe zerschneiden und wer tut das schon ? Der allergrößte Teil der gemachten Montgeron-Briefe sind Mischfrankaturen mit den am BAA ebenfalls erhältlichen Rollenmarken, systemgerechte Einzelfrankaturen, wie man sie heute gerne hätte, sind leider äußerst selten.

Nun zu den einzelnen Typen der Montgeron-ATM:

Mi.-Nr. 1.1: es sind nur 4 Belege bekannt, davon 2 Postkarten in MIF und 2 Belege vom Frühdatum 25.3.1969, davon einer in EF 0,40 (siehe oben).

Mi.-Nr. 1.2: einige Dutzend Belege, fast alle in MIF, meist Wertstufen 0,10 oder 0,20 darunter einige Retour-Briefe, ferner zumindest eine EF.

Mi.-Nr. 2.1: einige Dutzend Belege, möglicherweise weniger als bei Mi.-Nr. 1.2, fast alle in MIF, meist Wertstufen 0,10 oder 0,20. EF existent ?

Mi.-Nr. 2.2: auch auf Brief die häufigste Montgeron-ATM. Wohl über 100 Belege, meist MIF mit Werten 0,10 oder 0,20. Höhere Werte selten (u.a.  wenige R-Briefe mit Wertstufen über  2,00 FF bekannt), Einzelfrankaturen selten.

 

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